Alte Leute sind schon ein Kuriosum. Manche sind wirklich Gold wert, verdienen unseren Respekt. Meine eigene Oma zum Beispiel, bevor sie vor zweieinhalb Jahren verschied. Eine wirklich faszinierende Person. Ihre Geschichten bereichern unser Leben, sie sind für einen da...

...und dann gibt es diese unausstehlichen Alten, die sich an der Kasse vordrängeln, als müssten sie noch kurz vor ihrem Exitus schnell für den Sonderangebotskaffee zahlen. Schlängeln sich auf der anderen Seite der Kasse vorbei und knallen der Kassiererin mit den Worten "Ich darf doch eben vor, oder?" ihren Einkaufskorb vor den Latz. Dann schimpfen sie über "die Jugend" und drohen, sie würden sich das merken, wenn man ihnen ein nüchternes "Nein!" entgegenhaucht.

Ist schon merkwürdig. Die meisten der einstmaligen Trümmerfrauen, die mit Schwielen an den Händen dieses Land wieder aufgebaut haben, während ihre Männer noch in Russischer Gefangenschaft ausharrten, sind lange tot. Übrig sind die Nutznießer des Wirtschaftswunders, die aber nun die geliche Dankbarkeit dafür erwarten, dass ihnen meine Zahlungen in die Rentenkasse zugeschoben werden. Mit hoch erhobenem Rentenausweis stürmen sie den Bus, um sich jeden erdenklichen Platz zu erstreiten, außer den wenigen, unbesetzten Sepzialplätzen für Behinderte, Kriegsversehrte und Geronten. Warum? "Ich sitz hier schon immer!" Nun, immer mag es vielleicht die Oma mit ihrem drohend erhobenen Gehstock geben, nicht aber diesen Bus. Der ist von 2002, was allerdings vollkommen unerheblich ist, wenn man nicht als Jugend von heute beschimpft werden will, die dummerweise im Rahmen des Solidarprinzips den Damen die kostenlose Busfahrt, den Zahnersatz und die Gehhilfe ermöglicht.

Was mir heute begegnet ist, war allerdings eine Nummer härter.

Ich war mit meinem Sohn (Kleinkind, knapp drei Jahre) auf dem Weg in die Innenstadt. Wir waren spät dran, weil ich in meiner Mindererfahrung mit Busfahrten (ich fahre Rad und bilde mir ein dabei noch am wenigsten CO2 auszustoßen - muss man ja heutzutage drauf achten) vergessen hatte meinen Haltewunsch durch Drücken des Knöpfchens kundzutun. Aber obwohl ich zu spät zur Verabredung mit meiner Frau zu kommen schien, hielt ich mit meinem Kleinen an der roten Ampel an. Mein Sohn kennt das schon. Er blieb auch brav stehen, nur um von einer Frau um die 85 fast mit dem Gehstock eine übergebrezelt zu bekommen, die sich an ihm vorbei und bei Rot über die Straße drängelte. Unglaublich.

Wir warteten brav auf Grün, dann nahm ich meinen Filius auf den Arm und gab Gas. Weit musste ich nicht laufen, bis ich die Dame konfrontierte. Ich stellte ihr meinen Sohn vor, und bat sie, ihm klar zu machen, dass das Überqueren einer roten Ampel gar keine gute Idee ist.

"Ja, is ja richtig, aber das war grade noch grün gewesen, und ich habs ja auch eilig."

Ach je, mit ihrer Beerdigung fangen die nicht ohne sie an. Ich versuchte aus ihr noch irgendwie ein Statement meinem Sohn (den sie grob ignorierte) gegenüber herauszulocken, aber sie war so verstockt, wie sie alt war und eilte einem Kaufhaus entgegen. Vielleicht hat Galeria gerade Leichenhemden im Angebot.

Als sie abgedampft war, kam auch endlich ein Kommentar von meinem Sohn:

"Die Frau war böse!"

Dem ist nix hinzuzufügen...

.db